Warschauer Aufstand

Warschauer Aufstand
I
Wạrschauer Aufstand,
 
1) Wạrschauer Gẹttoaufstand, die Erhebung der Juden des Warschauer Gettos gegen die deutsche Besatzungsmacht vom 19. 4. bis 16. 5. 1943. Nach dem Abtransport von rd. 300 000 Juden in nationalsozialistische Vernichtungslager (zumeist nach Treblinka) im September 1942 suchten die verbliebenen Warschauer Juden (etwa 60 000) durch Widerstand gegen die von den deutschen Behörden geplante Auflösung des Gettos ihr Leben zu retten. Die 1942 im Untergrund entstandenen jüdischen Kampforganisationen, die sich bereits im Januar 1943 erstmals bewaffnet gegen einen Abtransport gewehrt hatten, setzten der vom SS- und Polizeiführer Jürgen Stroop (* 1895, ✝1952) geleiteten brutalen Räumungsaktion erbitterten Widerstand entgegen; gestützt auf ein unterirdisches Bunkersystem im Getto, aber schlecht bewaffnet, unterlagen sie nach 27-tägigem Kampf von Haus zu Haus den SS-Truppen, die die Gebäude systematisch abbrannten. Von den etwa 56 000 Menschen, die den SS-Einheiten in die Hände fielen, wurden rd. 7 000 im Getto liquidiert, fast alle anderen nach ihrer Deportation in Vernichtungs- oder Zwangsarbeitslager getötet.
 
 
Y. Gutman: The Jews of Warsaw, 1939-1943. Ghetto, underground, revolt (a. d. Hebr., Brighton 1982);
 W. Scheffler u. H. Grabitz: Der Ghetto-Aufstand Warschau 1943 aus der Sicht der Täter u. Opfer in Aussagen vor dt. Gerichten (1993).
 
 2) die Erhebung einer polnischen Untergrundarmee, der Armia Krajowa (AK), gegen die deutsche Besatzungsmacht in Polen von August bis Oktober 1944. Ziel des am 1. 8. unter General T. Bór-Komorowski ausgelösten Aufstandes war, die Stadt noch vor der heranrückenden Roten Armee zu befreien und diese mit einer schon etablierten polnischen Verwaltung zu empfangen, um damit das von kommunistischen Kräften dominierte Lubliner Komitee auszuschalten. Die Aufständischen gewannen in den ersten Augusttagen handstreichartig den größten Teil der Stadt, vermochten jedoch nicht, die Weichselbrücken zu besetzen und Verbindung mit den bis zum 9. 9. 1944 untätig östlich der Weichsel bleibenden sowjetischen Einheiten (Marschall K. K. Rokossowskij) herzustellen. Auch die Bahnhöfe und einzelne Stützpunkte blieben in deutscher Hand, sodass die Gegenaktion (ab 5. 8.) unter Erich von dem Bach-Zelewski (* 1899, ✝ 1972) das Aufstandsgebiet spalten konnte. Die AK, die von einigen Einheiten der Armia Ludowa unterstützt wurde, erhielt zudem keine ausreichende Hilfe durch die Alliierten aus der Luft. Ein sowjetischer Vorstoß zwischen dem 10. und 14. 9., mitgetragen von polnischen Soldaten, erreichte zwar die Vorstadt Praga und kurzzeitig das andere Weichselufer, wurde dann aber nicht weitergeführt. Am 2. 10. musste Bór-Komorowski mit den verbliebenen knapp 10 000 Mann kapitulieren. Hitler ordnete die Zerstörung Warschaus an. Der Aufstand kostete etwa 166 000 Polen (darunter 150 000 Zivilisten) das Leben.
 
 
H. v. Krannhals: Der W. A. 1944 (21964);
 J. K. Zawodny: Nothing but honour. The story of the Warsaw uprising, 1944 (Stanford, Calif., 1978);
 J. K. M. Hanson: The civilian population and the Warsaw uprising of 1944 (Cambridge 1982).
II
Warschauer Aufstand
 
Die polnische Widerstandsbewegung war zusammengefasst in der »Heimatarmee«; sie hielt enge Verbindung zur polnischen Exilregierung in London und kämpfte nicht nur gegen die deutschen Besatzer, sondern zunächst auch gegen die sowjetische Besatzungsmacht in Ostpolen. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion stellten die Sowjets aus Exilpolen und Kriegsgefangenen eine kommunistische polnische Armee auf und lehnten eine Unterstützung der nationalpolnischen Untergrundbewegung ab.
 
Als sich die sowjetischen Armeen Ende Juli 1944 den Vorstädten Warschaus näherten, entschloss sich die Führung der »Heimatarmee« am 1. August zum Aufstand. Ihr Ziel war es, die polnische Hauptstadt aus eigener Kraft von den Deutschen zurückzuerobern, um den einrückenden sowjetischen Truppen als Befreier Warschaus gegenübertreten zu können. Die »Heimatarmee« zählte zu diesem Zeitpunkt rund 25 000 Männer und Frauen, die völlig unzureichend bewaffnet, aber zum Äußersten entschlossen waren. Unter dem Befehl des Generals Tadeusz Bór-Komorowski gelang es ihnen anfangs, die SS- und Polizeieinheiten sowie Dienststellen des Heeres und der Luftwaffe von ihren rückwärtigen Verbindungen abzuschneiden. Sie besetzten Bahnhöfe und Verkehrsknotenpunkte; der Versuch, die Weichselbrücken sowie Flugplätze in ihre Gewalt zu bekommen, schlug jedoch fehl.
 
Am 4. August begann der Gegenangriff der Deutschen. Hitler hatte den Befehl ausgegeben, Warschau »dem Erdboden gleichzumachen« und die Bevölkerung zu »liquidieren«. Trotz der drückenden Überlegenheit der Besatzungsstreitkräfte vermochte sich die »Heimatarmee« in Straßen- und Häuserkämpfen noch zwei Monate lang zu behaupten. Die sowjetischen Truppen kamen ihr zunächst nicht zu Hilfe. Erst nach eindringlichen Mahnungen der britischen Regierung entschloss Stalin sich, Unterstützungsmaßnahmen der Alliierten zuzustimmen und Teile der eigenen polnischen Armee zur Entsetzung der Eingeschlossenen in Warschau eingreifen zu lassen.
 
Als deren anfänglich erkämpfte Brückenköpfe von den Deutschen wieder zerschlagen wurden, kapitulierte General Bór-Komorowski mit den Resten seiner Armee am 2. Oktober 1944, nachdem ihm der deutsche Befehlshaber die Zusicherung gegeben hatte, die überlebenden Aufständischen wie reguläre Kriegsgefangene zu behandeln. Die »Heimatarmee« hatte etwa 16 000 Gefallene zu beklagen, die Verluste unter der Zivilbevölkerung betrugen rund 150 000 Tote. Erst am 17. Januar 1945 wurde Warschau im Zuge der sowjetischen Großoffensive auf die deutsche Reichsgrenze erobert und von der sowjet-polnischen Armee befreit.

Universal-Lexikon. 2012.

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